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Rechtstipp 03/2017 - Erbschleicherei

In der Praxis und in der juristischen Literatur beschäftigt man sich immer mehr mit dem sich ausbreitenden Phänomen der Erbschleicherei, die Rechtsprechung dazu steckt eher noch in den Anfängen. Erbschleicherei ist gesetzlich nicht definiert, man kann sie als unredliche Beeinflussung eines potentiellen Erblassers zum eigenen Vorteil umschreiben. Ein Aufsatz aus der Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis (ErbR 2017, Seite 114) beschäftigt sich ausgiebig mit dem Phänomen der Erbschleicherei. 

Als erstes Hilfsmittel wird die sogenannte Selbstbindung genannt. Selbstbindung gibt es in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen, in denen bestimmt werden kann, dass testamentarische Verfügungen grundsätzlich nicht mehr geändert werden können. Dies verhindert aber Verfügungen zu Lebzeiten nicht, auch wie in folgendem Ausgangsfall: 

Ein Vater hat drei Kinder, einem Kind hat er eine Vorsorgevollmacht erteilt, die zwei anderen Kinder stellen plötzlich fest, es ist zum Kontaktabbruch mit dem Vater gekommen, sie erfahren von einer Immobilienübertragung

auf ihr drittes Geschwisterteil, zu dessen Gunsten auch Bankguthaben übertragen worden sein sollen (der Fall hat insoweit etwas theoretische Züge, als die beiden Geschwister, die keine Vollmacht vom Vater haben, in der Praxis von dem Transfer von Vermögenswerten nichts erfahren!). 

Denkbare erste Maßnahme im Fall wäre der Antrag an das Betreuungsgericht auf Bestellung eines Kontrollbetreuers, der erfolgreich sein kann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend den Vereinbarungen und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt. Ein Missbrauch ist nicht nötig. Wo  die Grenzziehung verläuft, kann man sich vorstellen, sie ist denkbar offen. Wird ein Kontrollbetreuer bestellt, dann zunächst mit der Aufgabe, auf den Bevollmächtigten einzuwirken, wenn drohende Schäden nicht anders zu verhindern sind, kann der Kontrollbevollmächtigte, was ausdrücklich geschehen muss, auch gleich mit dem Widerruf der Vorsorgevollmacht betraut werden. Eine weitergehende Maßnahme wäre eine einstweilige Anordnung durch das Amtsgericht, zum Beispiel auf Sicherung des Vermögens des Vollmachtgebers.

Eine nächste denkbare Möglichkeit wäre ein Vorgehen nach dem Gewaltschutzgesetz, nämlich bei freiheitsentziehender Isolierung, Einwirkung gar mit Gewalt etc.. Auch dies hat das Problem, dass diejenigen Personen, die ein solches Verfahren anstoßen, konkrete Informationen besitzen müssen. 

Ist der Erbfall erst eingetreten, und die Erbschleicherei ersichtlich, kann bei  zweifelhaften letztwilligen Verfügungen Testierunfähigkeit eingewendet werden, diese muss aber nach Überzeugung des Gerichtes tatsächlich gegeben sein. Nächste Möglichkeiten gibt das Heimrecht, Personen in Heimen und in manchen Bundesländern auch Personen ambulanter Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen dürfen sich keine letztwilligen Verfügungen zu eigenen Gunsten oder von Angehörigen erschleichen. 

Weiter kommt in Betracht eine Anfechtung letztwilliger Verfügungen wegen Irrtum und Drohung, für einen Irrtum reicht allein enttäuschtes Vertrauen nicht aus, wenn also beispielsweise ein Testator erwartet hat, dass die begünstige Person sich möglichst rührend um ihn kümmert. 

Das Gesetz sieht vor, dass erbunwürdige Personen nicht am Nachlass teilhaben sollen. Die Hürde für Erbunwürdigkeit liegt so hoch, dass sie in der Praxis keine Rolle spielt. 

Ein Highlight ist, was in der Praxis auch vorkommt, ein Testamentsvollstrecker als Erbschleicher. Hier vertreten die Gerichte die überwiegende Auffassung, dass Eingriffe in die Amtsführung des ja privat bestellten Testamentsvollstreckers nicht zulässig sein sollen, die Erben werden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. 

Aus psychiatrischer Sicht sei Folgendes zur Erbschleicherei angefügt: 

Typisch sind kognitive und affektive Störungen beim Erblasser, möglichst gepaart mit bewusster Isolierung, Informationsentzug, bewusste Fehlinformation und pseudofamiliäre Konstellationen (damit sind gemeint Bindungen an Pflegekräfte, sexuelle Zuwendungen, ein Aspekt, der aus Erfahrung auch im Alter noch eine erhebliche Rolle spielen kann!). 

Auch wenn dieser Tipp zahlreiche Möglichkeiten umreicht, muss mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass Erbschleicherei in der Praxis nur sehr schwer beizukommen ist, zumal die Gerichte sich mit einem konsequenten Einschreiten eher zurückhalten. Wenn trotzdem gegen Erbschleicherei vorgegangen wird, dann nur mit wirklich spezialisierter Hilfe. Es sind nämlich auch erhebliche verfahrensrechtliche Hürden zu überwinden, die hier aus Raumgründen noch nicht einmal angesprochen werden können.

Rechtsanwalt Thomas Stein Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht Am Zehntenstein 23, 65549 Limburg Telefon: 06431 / 2 42 06, Telefax: 06431 / 63 18, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Dieser Rechtstipp ist mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Eine Haftung für seinen Inhalt wird nicht übernommen.)