In Zeiten der Flüchtlingskrise gibt es Dinge und Entwicklungen, die man schlicht nicht für möglich gehalten hätte. Ein Ende der Entwicklungen ist derzeit nicht in Sicht. So mancher wird sich fragen, ob auch die Gefahr besteht, dass Behörden Immobilien zwecks Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmen können. Eine Übersicht meines Kollegen Michael Drasdo (NJW-spezial 2016, Seite 33 f.) beschäftigt sich mit der Rechtslage.
Danach ist die Beschlagnahme von geeignetem Wohnraum dem Deutschen Recht schon seit langer Zeit nicht fremd. Diese Möglichkeit kommt in Betracht, wenn Personen, die bereits obdachlos sind oder zu werden drohen, untergebracht werden müssen. Verwaltungsrechtlich anerkannt ist, dass die Obdachlosigkeit eines Menschen als Störung der öffentlichen Sicherheit anzusehen ist. Daher besteht
bei jeder Zwangsräumung im Mietrecht die Gefahr, dass die zuständige Kommune einen Mieter vorübergehend wieder in die alte Wohnung einweist, sie muss dann die Miete übernehmen. Man spricht verwaltungsrechtlich in diesem Zusammenhang von der Inanspruchnahme eines sogenannten „Nichtstörers“, damit ist der Vermieter gemeint, der ja selbst gegen keinerlei Vorschriften verstößt. Unter engen Voraussetzungen ist seine Inanspruchnahme gleichwohl rechtlich zulässig.
Allerdings wird die Beschlagnahme von Räumen als Notstandsmaßnahme angesehen, deren Zulässigkeit voraussetzt, dass die Behörden zuvor alles ihnen mögliche und zumutbare unternommen haben, um den eingetretenen Zustand zu beseitigen. Schon die Begriffswahl verdeutlicht, dass es in diesem Zusammenhang nicht unerhebliche Ermessensspielräume gibt. Dies umso mehr, als die den Behörden obliegenden Pflichten gesetzlich nicht geregelt sind. So müssen die Kommunen stets als erstes prüfen, ob sie eigene Kapazitäten zur Verfügung haben, dann, ob in Nachbarkommunen geeignete Kapazitäten verfügbar sind; erst wenn beides zu verneinen ist, kommt eine Beschlagnahme in Betracht.
Als weniger streng beschreibt mein Kollege Drasdo die aufgezeigten Voraussetzungen, wenn spezialgesetzliche Regelungen vorliegen. Dies ist etwa in Hamburg schon der Fall, dort gibt es ein „Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen vom 02.10.2015“. Voraussetzung ist nach den dortigen Vorgaben, dass der einer Beschlagnahme dienende Raum ungenutzt und in den Erstaufnahmen oder Folgeeinrichtungen eine angemessene Unterbringung aller Flüchtlinge nicht möglich ist.
Ansonsten müssen die Behörden mangels geeigneten Räumlichkeiten prüfen, ob sie solche anmieten oder notfalls auch ankaufen können. Besonders in Betracht sollen Hotels oder Jugendherbergen kommen.
Etwas Trost findet der besorgte Bürger darin, dass eine Beschlagnahme nur leerstehende Objekte erfassen darf. Ferien- und Zweitwohnungen werden als genutzter Wohnraum angesehen, auch wenn die Nutzung nicht durchgängig erfolgt.
Die Inanspruchnahme des Eigentümers als Nichtstörer erfolgt nicht unentgeltlich, er hat immer einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Einbeziehung der zu erwartenden Betriebskosten. In der Praxis habe ich erste Stimmen von Eigentümern vernommen, die über die Höhe der Nutzungsentschädigung eher enttäuscht gewesen sind. So lukrativ wie in der Bevölkerung oft vermutet wird, scheint die Vermietung in diesem Bereich nicht zu sein.
Teuer wird sie für den Steuerzahler aber auf jeden Fall:
Nach Ende der Beschlagnahme hat der Eigentümer ein öffentlich rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch, heißt im Klartext: Die Behörde muss die Räume in dem Zustand herausgeben, in dem sie ihr übergeben worden sind. Ob die Durchführung von Schönheitsreparaturen dazu gerechnet wird, ist juristisch zweifelhaft.
Rechtsanwalt Thomas Stein Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht Am Zehntenstein 23, 65549 Limburg Telefon: 06431 / 2 42 06, Telefax: 06431 / 63 18, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Dieser Rechtstipp ist mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Eine Haftung für seinen Inhalt wird nicht übernommen.)