Telefon: 0 6479 / 911935  Jetzt anrufen  XING

Rechtstipp 11/14 – Abbruch lebenserhaltener Maßnahmen

Der Bundesgerichtshof hat jetzt einen Beschluss vom 17.09.2014, im Moment noch unveröffentlicht, erlassen, in dem er klare Grundsätze und Leitlinien für die Beteiligten wiedergegeben hat, wenn es darum geht, lebenserhaltende Maßnahmen einzustellen, um Patienten in Ruhe sterben zu lassen.
Ausgangspunkt für den BGH ist dabei die Maßgeblichkeit des zu ermittelnden Patientenwillens. Hierzu gibt es folgende Reihenfolge:

1. Patientenverfügung
Die höchste Priorität sieht der BGH in einer Patientenverfügung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Patienten entnommen werden können. Um eine Vielzahl von Patientenverfügungen nicht zu entwerten, will der BGH an die Bestimmtheit der Patientenverfügung keinen überspannten Maßstab anlegen. Sie muss aber auf jeden Fall für die bestehende Situation passen.

2. Behandlungswünsche

Fehlt eine Patientenverfügung oder ist sie nicht verbindlich, kommt es auf das Vorliegen von Behandlungswünschen des Patienten an. Ein Behandlungswunsch

kann schriftlich oder auch nur mündlich geäußert werden, hier sind dann Aussagen aus dem Umfeld des Patienten gefragt.

3. Mutmaßlicher Wille
Liegen weder Patientenverfügung noch Behandlungswunsch vor, dann ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte der mutmaßliche Wille des Betroffenen zu ermitteln. Auch hier ist das Umfeld des Patienten gefordert, der BGH legt Wert auf die Feststellung, dass es bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens nicht um die Werte und Vorstellungen eines Betreuers oder Bevollmächtigten, sondern des Patienten, geht.

4. Beweismaßstab
Ganz gleich, auf welchem Weg der Patientenwille ermittelt wird, es sind auf jeden Fall strenge Beweismaßstäbe anzulegen, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung tragen.

5. Wann ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich?
Wenn einerseits Betreuer oder Bevollmächtigter und andererseits der behandelnde Arzt sich einig sind, besteht keine Genehmigungspflicht. Dies hat der Gesetzgeber im Vertrauen auf das Verantwortungsbewusstsein der handelnden Beteiligten ausdrücklich so geregelt.

6. Genehmigung erforderlich
Besteht kein Einvernehmen, spricht der BGH von einem „Konfliktfall“ und fordert betreuungsgerichtliche Genehmigung.

7. Zweifelsfälle
Es wird immer Fallgestaltungen geben, die weder in die eine noch die andere Kategorie zugeordnet werden können. Was immer möglich ist, und dies ist für die Beteiligten in der Praxis von besonderer Bedeutung, ist Folgendes:
Selbst wenn Einvernehmen zwischen allen Beteiligten besteht kann jeder von Ihnen und auch jeder aus dem näheren Umfeld des Patienten das Betreuungsgericht einschalten. Wenn dieses feststellt, dass ein klarer Fall vorliegt, bei dem eine Genehmigung nicht erforderlich ist, hat das Betreuungsgericht ohne weitere eigene Ermittlungen nach dem Beschluss des BGH ein sogenanntes Negativattest auszustellen. Der BGH legt sehr deutlich fest, dass der Maßstab für betreuungsgerichtliches Handeln niedrig anzusiedeln ist. Den Beteiligten soll also in der Praxis geholfen werden, weil die Entscheidung des Betreuungsgerichtes eigene Zweifel ausräumen oder reduzieren und sogar gegenüber sonstigen Beteiligten, die möglicherweise eine andere Auffassung vertreten, die Entscheidungsträger in ihrer Haltung bestärken kann.

8. Art und Stadium der Erkrankung
Der BGH hebt hervor, dass der Gesetzgeber im sogenannten Patientenverfügungsgesetz ausdrücklich geregelt hat, bei der Frage des Behandlungsabbruches kommt es nicht auf die Schwere und das Stadium der Erkrankung an. Anders formuliert: Das Ganze gilt auch, wenn der Tod noch nicht in der Nähe ist.
Tipp aus der Praxis: Ich weiß, dass die Betreuungsgerichte für Beteiligte manchmal schwierig zu erreichen sind und sich oft eher Zeit lassen. Die Einschaltung eines Anwaltes, am besten noch mit einem guten Draht zum Betreuungsgericht, dürfte sich in vielen Fällen empfehlen. Dieser Tipp ist frei von jeglichem Eigennutz für meinen Stand, er ist für mich einfach gelebte Praxis.

Rechtsanwalt Thomas Stein Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht Am Zehntenstein 23, 65549 Limburg Telefon: 06431 / 2 42 06, Telefax: 06431 / 63 18, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
(Dieser Rechtstipp ist mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Eine Haftung für seinen Inhalt wird nicht übernommen.)