Das OLG Nürnberg hat kürzlich eine Entscheidung getroffen, die eine ganz gravierende Gefahrenquelle im Zusammenhang mit Wohnungsrechten aufzeigt: Vereinfacht dargestellt lässt sich das Ganze wie folgt skizzieren:
Ein Senior hatte seinem Junior ein Hausgrundstück übertragen und sich dabei ein lebenslängliches Wohnungsrecht vorbehalten, wobei ausdrücklich vereinbart war, dass die Ausübung des Wohnungsrechtes Dritten nicht überlassen dürfe.
Im hohen Alter verliert der Senior das Interesse an der Ausübung seines Wohnungsrechtes und geht ohne jeden Rückkehrwillen in ein Heim. In diesem Zusammenhang verzichtet der Senior ohne irgendeine Gegenleistung auf sein Wohnungsrecht und erteilt dafür die Löschungsbewilligung. Die Heimkosten kann er aus eigenen Mitteln nicht alle tragen, ein Sozialhilfeträger muss eintreten und macht den schenkungsrechtlichen Rückforderungsanspruch wegen Verarmung gegen den Junior geltend.
Man könnte bei dieser Konstellation annehmen, dass das Wohnungsrecht keinen nennenswerten Vermögenswert mehr darstellt. Das Gegenteil nimmt das OLG Nürnberg an. Bei der Bestellung des Wohnungsrechtes war auch vorgesehen worden, dass der Senior seine Familie und die zu seiner Pflege nötigen Personen hat aufnehmen dürfen. Nach Annahme des OLG Nürnberg wäre es beispielsweise denkbar, dass der Senior mit pflegenden Angehörigen oder nach Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse, dem OLG schwebt hier beispielsweise eine mögliche Erbschaft vor, in die mit dem Wohnungsrecht belegten Räume zurückkehrt. Damit ist das Wohnungsrecht nach Auffassung des OLG Nürnberg ein durchaus beachtlicher Vermögenswert, dessen Aufgabe als Schenkung zu bewerten ist.
Dies hat dann zur Folge, dass der Senior, da er die Heimkosten nicht alleine tragen kann, einen Rückforderungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verarmung hat, den der Sozialhilfeträger auf sich hat überleiten können. Er kann nun von dem Junior monatlich den Betrag verlangen, in dessen Höhe die Heimkosten durch eigenes Einkommen des Seniors nicht gedeckt sind, und zwar bis zur Höhe desjenigen Wertes, der in der Schenkung durch Aufgabe des Wohnungsrechtes liegt.
Wer nun glaubt, der Wert der Zuwendung durch Aufgabe des Wohnungsrechtes liege in dessen Wert, wird vom OLG Nürnberg eines schlechteren belehrt! Das OLG Nürnberg sieht den Wert der Schenkung nämlich nicht im Wert des Wohnungsrechtes, sondern in der Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstücks bei Wegfall des Wohnungsrechtes. Hierbei muss man dem OLG Nürnberg zugute halten, dass es eine BGH-Entscheidung gegeben hat, in der die Wertfrage genauso gesehen worden ist. Das OLG Nürnberg hat dann ein Sachverständigengutachten zu der Frage der Werterhöhung durch Wegfall des Wohnungsrechtes eingeholt, welches zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Wertzuwachs von 95.000,00 EUR stattgefunden hat. Dies heißt konkret für den Junior, dass er allmonatlich bis zur Höhe von 95.000,00 EUR zu den Heimkosten des Seniors zuschießen muss.
Grundsätzlich erscheint es aus meiner Sicht empfehlenswert, ein Wohnungsrecht nie als lebenslängliches Recht auszugestalten, sondern es schon bei seiner Bestellung nur so lange bestehen zu lassen, wie der Wohnungsberechtigte es ausüben kann bzw. es aufzugeben hat, wenn er in ein Heim geht. Da aber nicht abzusehen ist, wie die Rechtsprechung derartige Gestaltungen zukünftig behandeln wird, ist eine Garantie mit dieser Empfehlung, dass es nicht zu gravierenden finanziellen Folgen kommen kann, nicht verbunden.
Rechtsanwalt Thomas Stein, Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht, Am Zehntenstein 23, 65549 Limburg Telefon: 06431 / 2 42 06, Telefax: 06431 / 63 18
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