In Ergänzung zum Pflegezeitgesetz (siehe hierzu Rechtstipp 08/2009) ist am 01.01.2012 das Familienpflegezeitgesetz in Kraft getreten. Nach dem Pflegezeitgesetz kann ein Arbeitnehmer Anspruch auf völlige Freistellung von der Arbeit bis längstens 6 Monate ohne Bezüge haben. Da dies wohl nur wenige Beschäftigte finanziell verkraften, bietet das Familienpflegezeitgesetz neue Ansätze.
Voraussetzung für Familienpflegezeit ist eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die schriftlich abgeschlossen werden muss. Die Vereinbarung muss Regelungen über den Umfang und die Verteilung der Arbeitszeit, Angaben über den Beschäftigten und die zu pflegende Person, den Angehörigenstatus sowie die Dauer der Pflegezeit enthalten. Sie muss auch den ausdrücklichen Hinweis wiedergeben, dass nach dem Ende der Familienpflegezeit die
Rückkehr zur vorherigen oder auch höheren Wochenarbeitszeit erfolgt. Da bei der Vereinbarung durch die gesetzlichen Vorgaben einige Fallstricke zu berücksichtigen sind, hat das zuständige Bundesministerium die Erarbeitung eines Mustervertrages angekündigt, der aber wohl noch nicht vorliegt.
Wirtschaftlich soll die Familienpflegezeit wie folgt funktionieren:
Der betroffene Arbeitnehmer erhält während der Familienpflegezeit eine Lohnaufstockung, die beträgt die Hälfte der Differenz zwischen dem bisherigen Bruttoarbeitsentgelt und dem sich durch die Arbeitszeitreduzierung ergebenden geringeren Arbeitsentgelt. Die Lohnaufstockung kann durch den Abbau eines vorhandenen (Arbeits-) Wertguthabens des Arbeitnehmers finanziert werden. Oder aber der Arbeitgeber geht in Vorleistung und holt sich diese unter im Einzelnen geregelten Voraussetzungen beim Staat zurück.
Die Familienpflegezeit ist nach Ablauf der Maximalfrist von 24 Monaten oder mit dem Ablauf des zweiten Monats nach Wegfall einer ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr förderfähig. Während der Familienpflegezeit muss der Arbeitnehmer mindestens 15 Wochenstunden arbeiten.
Das Familienpflegezeitgesetz gibt auch Sonderkündigungsschutz:
Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis während der Familienpflegezeit und in der Nachpflegephase nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle kündigen.
Erste Stimmen in der juristischen Literatur haben das Familienpflegezeitgesetz als zumindest einen Schritt in die richtige Richtung angesichts der demographischen Entwicklung bezeichnet. Der größte Schwachpunkt dürfte bei alldem sein, dass das Gesetz dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Familienpflegezeit gibt. Der Arbeitgeber kann zu einer Vereinbarung über Familienpflegezeit nicht gezwungen werden, man wird ihm angesichts der vielen komplizierten Einzelheiten des Gesetzes eine Ablehnung von Familienpflegezeit kaum verübeln können. Dies gilt gerade im Moment, wo das Gesetz noch jung ist und Rechtsprechung fehlt. Zum Pflegezeitgesetz gibt es jetzt eine erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, wonach diese innerhalb der Maximaldauer von 6 Monaten nur einmal, also nicht mehrfach, in Anspruch genommen werden kann, auch wenn insgesamt die Maximalfrist von 6 Monaten nicht überschritten wird. Was der Rechtsprechung alles zum Familienpflegesetz einfallen wird, dafür gilt das berühmte Kaisermotto: Schaun wir mal!
Rechtsanwalt Thomas Stein, Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht, Am Zehntenstein 23, 65549 Limburg Telefon: 06431 / 2 42 06, Telefax: 06431 / 63 18